Navigationen, 4. Jg. 2004, Heft 1/2, S. 187-198


 "Ich bin doch keine Programm-Bremse!" Die Ablösung der Ansagen durch Trailer

War für Gerhard Eckert der Ansager noch "Bindeglied in einem an sich zwangsläufig heterogenen Programm"[38], so hat diese Funktion jetzt auch der Trailer inne. Denn Ansagen "verleiten zum um- und wegschalten (Zappen), sind überflüssige Quotenkiller und [...] bremsen den Programmfluß"[39].

Im Strukturierungsmodell vom Programm als Fluss, das nicht zuletzt dem Senderwechsel der Zuschauer entgegenwirken soll, sind Zäsuren nicht vorgesehen. "Ansagerinnen sind ein dramaturgisches Unglück. Sie machen Lücken und Pausen deutlich."[40]

Dies wird von der Leiterin der Programm-Promotion bei SAT.1, Sylvia Rotter, ausdrücklich bestätigt.[41] Ihrer Ansicht nach kann man mit Trailern im Programmablauf flexibler umgehen. Im Gegensatz zu den Programm-Moderationen sei durch die Kürze der Trailer der "Programm-Umstieg" nicht so sehr gefährdet. Zudem betont Rotter 1994, dass der Informationsgehalt eines Voice-Over besser rezipiert wird als der einer Moderation. Empirische Untersuchungen, die dies bestätigen, liegen hierzu allerdings bisher nicht vor.

Betrachtet man das ganze Phänomen in einem größeren Gesamtzusammenhang, dann hängt die Ablösung der Ansagen durch Trailer auch mit unseren Alltagsgewohnheiten zusammen. Fernsehen ist nicht mehr Gast und Ereignis, sondern schlicht Alltagsmöbel und Gebrauchsgegenstand geworden. Der Effekt der persönlichen Ansprache wirkt in diesem Zusammenhang wahrscheinlich wie eine überkommene Inszenierung.

Wie man dies auch bewerten mag, die Ablösung der Ansagen durch den Trailer kann nicht als überraschend gelten. So prophezeite ZDF-Intendant Dieter Stolte bereits 1977: "Wer zum Beispiel der Meinung ist, daß sich der Erfolg einer Sendung oder eines Abendprogramms vor allem an der Zahl der Einschaltungen mißt, der wird auf Ansagerinnen überhaupt verzichten. Er wird für die Abendansage des Programms eine Präsentationsform wählen, die aus einer Mixtur von filmischen Spots und graphischen Gags bestehend den Zuschauer in einen Taumel des Sehens hineinreißt. Sein Traumbild ist der Dauerkonsument! Wer jedoch dafür eintritt, daß nicht der enthusiasmierte, durch zusätzliche optische und akustische Reize überlistete Zuschauer die Programmwahl trifft, der wird sich auch künftig für ein ihn freundlich unterweisendes Gesicht am Bildschirm verwenden. Er erhält mit der Ansage noch einmal eine Information über den nachfolgenden Beitrag; er kann in Ruhe entscheiden, ob er ihn sehen will oder nicht. Sein Vorbild ist der selektive Seher!"[42]

Besonders bemerkenswert an den Äußerungen Stoltes ist, dass er seinerzeit die Ansage gegen einen noch kaum existierenden Konkurrenten verteidigt. Trailer sollten erst mehr als zehn Jahre später den Zuschauer in einen "Taumel des Sehens" hineinreißen.

"Ansagerinnen sind menschliche Vermittler des Kulturmediums Fernsehen."[43] Mit dem Übergang vom Fernsehen als Kulturprodukt zum Fernsehen als Wirtschaftsprodukt verliert dieses personale Vermittlungselement nur folgerichtig an Bedeutung. "An die Stelle der freundlichen Einladung ist die aufgesetzt fröhliche, doch latent aggressive Aufforderung getreten, nur ja nicht abzuschalten; nicht mehr die Verführung des Zuschauers ist das Ziel, sondern seine Überwältigung."[44]

1992 verzichtete RTL vollkommen auf Ansagen bzw. Programm-Moderationen.[45] Nachdem SAT.1 seit September 1992 sein Programm mit einer vorproduzierten Mischung aus Trailern, Dialogen und Moderationen präsentierte,[46] folgte der Sender am 1.1.1993 dem Beispiel von RTL.[47]

Die Fernsehdirektoren der ARD beschlossen 1993 einen generellen Verzicht auf Ansagen im Nachmittags- und Abendprogramm der ARD, da diese Form der Programmankündigung überflüssig und nicht mehr zeitgemäß sei.[48] Beim ZDF wurden die Programmansagen 2000 eingestellt, weil sie "kein Markenzeichen des Programms mehr seien"[49].

Mit der Ablösung der Programmansagen durch Programmtrailer wurde wie bei keinem anderen Programmelement deutlich, dass das Fernsehen seit Mitte der 90er Jahre statt auf Originalität – durch den "Live"-Charakter der TV-Ansagen – immer mehr auf multiple Wiederholbarkeit seiner Programmformate setzt. Schließlich gehört die On-Air-Promotion, wie die TV-Eigenwerbung in der Marketing-Terminologie bezeichnet wird, mit Sicherheit zu den am häufigsten wiederholten Programmelementen im Fernsehen.[50]

 

"Glotzt nicht so romantisch!" Trailer in Sendungen / Crosspromotion

Der älteste noch vorhandene Fernsehtrailer im WDR-Filmarchiv datiert aus dem Jahre 1958.[51] Hierbei ist allerdings zu bemerken, dass im WDR erst seit 1996 mit Gründung der Präsentationsredaktion Trailer, die zwischen Sendungen im Programm platziert sind, archiviert werden. Alle zuvor ausgestrahlten Trailer wurden nur dann nicht gelöscht, sofern sie im Rahmen von Sendungen ausgestrahlt wurden. Dabei handelt es sich zumeist um Ankündigungen[52], die zu Beginn einer Sendung auf die folgenden Themen und Beiträge hinwiesen.

Die Sendung "Hier und Heute" setzte derartige Trailer unregelmäßig ein. Bei diesen Themenankündigungen wurde aus jedem Beitrag der Sendung eine charakteristische Einstellung ausgewählt und während der Ausstrahlung live kommentiert. Daher verfügt kein Trailer jener Zeit, in der die gesamte Fernsehproduktion noch auf Film basierte, über Sprachaufnahmen. Auch Originaltöne wurden entweder für die Trailer nicht verwendet oder sind nicht mehr vorhanden. Lediglich zu den mit Musik unterlegten Trailern existieren noch Tonrollen.[53]

Neben den Ankündigungen der Beiträge und Themen innerhalb der gleichen Sendung dürfen aber nicht die Hinweise auf andere Sendungen vergessen werden. Während Erstere von der eigenen Redaktion für die eigene Sendung konzipiert werden und damit zum redaktionellen Bestandteil gehören, handelt es sich bei Letzteren um Fremdmaterial, das für eine andere Sendung wirbt. Nach dem heutigen Verständnis würde man diese Trailer zur Crosspromotion zählen.[54]

Zu dieser Kategorie zählt beispielsweise der am 10.2.1968 im WDR-Kulturmagazin "Spectrum" ausgestrahlte Trailer "Mädchen im Sarg", der sich in ironischer Gedichtform präsentiert: 

 "Glotzt nicht so romantisch
 Fernsehwürdigung für Brecht
Alle drei Programme würdigen seinen 70. Geburtstag
384 Minuten für Bert Brecht
Im Zeichen von Bert Brecht steht die kommende Televisionswoche
Genau 384 Sendeminuten widmet das Fernsehen dem Stückeschreiber
der am 10. Februar den 70. Geburtstag feiern würde
Am Sonntag um 21 Uhr 25 Uhr startet das Blablablablabla...." [55]

Abb. 4: Stills aus dem WDR-Trailer "Mädchen im Sarg" 1968
         

Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre wurden in der WDR-Sendung "Hier und Heute" immer wieder Trailer ausgestrahlt, welche auf die um 20.15 Uhr folgende Sendung "Anruf erwünscht" hinwiesen. Schon damals war man sich also der Bedeutung des Audience-Flows bewusst. Hierbei handelt es sich um eine programmplanerische Strategie, der u.a. RTL seinen Erfolg verdankt. Und auch schon damals wurde diese Form der Crosspromotion scharf kritisiert:

"Wer sich die Show das XYZ ansieht, will doch nicht mitten im Programm den plumpen und unvermittelten Hinweis, daß da in den nächsten Tagen ein Kollege des Spielleiters auf dem Bildschirm erscheint. Sollte er sich dafür interessieren, wird er eine solche Information schon aus seiner Programmzeitschrift entnehmen."[56]

Obwohl Trailer in den 70er Jahren nur sporadisch eingesetzt wurden, müssen sich die Programmzeitschriften durch Trailereinsatz bedroht gefühlt haben, was Honsowitz aus einem Artikel in der Programmzeitschrift TV - Hören und Sehen von 1972 schließt. TV – Hören und Sehen beklagt hierin die "schon fast inflationäre Fülle von Pausenfüllern in Form von Programmhinweisen und läßt listig Ärzte vorschlagen: bringt doch statt der oft fragwürdigen Programmhinweise endlich kurze Pausenfilme mit Trimm-dich-Übungen."[57]

Die Nutzungsgewohnheiten im Umgang mit dem Medium Fernsehen bestimmten und bestimmen die Argumente, was sich auch in der veränderten Fernsehlandschaft durch die Einführung der "dualen Rundfunkordnung" seit 1984 widerspiegelt, als immer mehr Trailer das Fernsehprogramm segmentierten.[58]  

1984: Etablierung der On-Air-Promotion

 

Anmerkungen

[38i] Eckert, Gerhard: Die Kunst des Fernsehens. Emsdetten 1953, S. 95.

[39] N.N.: Das Lächeln wird entlassen. In: rtv, Nr. 19/1993, S. 3. Zu dem Vorwurf, Ansagen würden den Programmfluss beeinflussen, äußert sich die ZDF-Ansagerin Andrea Horn wie folgt: "Die Zuschauer wollen einen freundlichen Menschen sehen, der ihnen 'Guten Abend' sagt. Ich gehe ja auch nicht in ein Restaurant, mache schnipp, und der Teller kommt geflogen." Zitiert nach: Coenen, Uschi: Moderatorin Andrea Horn: "Ich bin doch keine Programm-Bremse!" In: Das Goldene Blatt, Nr. 46/1995, S. 16.

[40] Klaus Mahlo zitiert nach: Bleicher, Joan: Geschichte, Formen und Funktionen der Fernsehansage. A.a.O., S. 202.

[41] Vgl. Turic, Mario: Programm-Präsentation. A.a.O, Anhang, S. 54f.

[42] Stolte, Dieter: Zwischen Popularität und Kreativität. In: Stuttgarter Zeitung vom 11.5.1977.

[43] Bleicher, Joan: Geschichte, Formen und Funktionen der Fernsehansage. In: Hickethier, Knut; Dies. (Hrsg.): Trailer, Teaser, Appetizer. A.a.O., S. 187-216, hier S. 204.

[44] N.N.: In medias res. Die Fernsehansagerinnen des ZDF. In: FAZ vom 13.4.1999, S. 56.

[45] Vgl. Ibel, Wolfgang: RTL hat die Ansagerinnen abgeschafft. Auch beim ZDF wird weniger gelächelt. In: Neue Rhein-Zeitung vom 20.02.1992.

[46] Hornemann, Dirk: Warum wirken Ansagerinnen so künstlich? In: TV-Spielfilm, Nr. 40/1992, S. 31.

[47] Vgl. Suhr, Rainer: Auch SAT l holt Ansagerinnen vom Bildschirm. Aber das ZDF hält den Schönen die Treue. In: Neue Rhein-Zeitung vom 31.10.1992.

[48] Vgl. Brecko, Sylvia: Die Entwicklung der Fernsehansage im Verhältnis zum Programmschema. Magisterarbeit, Universität Köln 1995, S. 106ff.

[49] Voncampe, Victoria: Die letzte Sendung mit der Maus. In: Süddeutsche Zeitung vom 19.5.2000, S. 44.

[50] Leider bleibt dieser Aspekt in den Programmanalysen unberücksichtigt. Da beispielsweise die ALM-Programmanalyse die On-Air-Promotion nicht als eigenständiges Programmelement betrachtet, fließt sie auch nicht in den von Hans-Jürgen Weiß ausgewiesenen Anteil der Programmwiederholungen ein. Vgl. Weiß, Hans-Jürgen: Programmalltag in Deutschland. Ein Werkstattbericht aus der kontinuierlichen Fernsehprogrammforschung der Landesmedienanstalten. In: Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten (Hrsg.): Programmbericht zur Lage und Entwicklung des Fernsehens in Deutschland 1998/99. Berlin 1999, S. 69-126, hier S. 98.

[51] Frühstes Beispiel: "Hier und Heute", WDR-Sendung vom 21.2.1958, Beitrag Nr. 1, Trailer (2'00'').

[52] Diese wurden auch als Ankündigungstrailer, Hinweistrailer, Programmhinweis, Trailer, Vorankündigung und Vorschau bezeichnet.

[53] Vgl. "Hier und Heute", WDR-Sendung vom 29.7.1961, Beitrag Nr. 1, Trailer (0'51'').

[54] Der gegenseitige Verweis einer Sendung auf die andere desselben Programms wird als "interne Crosspromotion" bezeichnet. Vgl. Siegert, Gabriele: Medien Marken Management. München 2001, S. 184, Fn. 206.

[55] Vgl. "Spectrum", WDR-Sendung vom 10.2.1968, Beitrag (a), Trailer "Mädchen im Sarg" (0'35'').

[56] Gauer, Walter: Oft reichlich plump. Programmhinweise im Übermaß. In: Fernseh-Dienst, Nr. 49/1981, S. 1.

[57] Vgl. TV-Hören und Sehen, Nr.19/1972, S. 10. Zitiert nach: Honsowitz, Herbert: Fernsehen und Programmzeitschriften. A.a.O., S. 13.

[58] Dies geht heute bereits soweit, dass bei den Öffentlich-rechtlichen Dokumentationen unvermittelt durch einen Trailerblock unterbrochen werden, ohne dass diese Programmunterbrechung mit der Ausstrahlung von Produktwerbung zu begründen wäre.



20.12.04 tt@udk-berlin.de