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Brief Briefings – Zur Optimierung von Briefingprozessen

Ein Briefing ist mehr als nur die Beschreibung einer Aufgabenstellung an einen Kreativen. Es ist die wichtigste Grundlage für eine normbrechende Idee. Damit relativiert sich das vielzitierte Vorurteil, ein Briefing schränke die Kreativität grundsätzlich ein. Noch eine originelle Idee unter den strengen Bedingungen eines detaillierten Briefings zu finden, das ist die eigentliche kreative Herausforderung im Agenturgeschäft.
So könnte das Fazit des Eyes & Ears-Arbeitskreismeetings vom 28. April dieses Jahres lauten, bei dem sich TV-Designer und -Producer zum Ideenaustausch trafen. Dabei wurde vor allem eines deutlich: Ein gutes Briefing braucht Zeit, nicht selten ein bis zwei Wochen, wie Michael Barry, Creative Director Universal Studios Networks, betont.
Seiner Meinung nach funktioniert 90 % der TV-Promotion nur deshalb nicht, weil “Briefer“ die Zielvorstellung nicht durchdacht, die Idee nicht klar genug formuliert haben. Wenn der Kreative dann auch noch wesentlich später im Arbeitsprozess feststellt, dass Informationen fehlen, sind oft viel Zeit und Energie verlorengegangen, da man unter Umständen wieder von vorne anfangen muss.
Je genauer der Auftraggeber also sein Briefing erledigt, desto sicherer kann er sein, dass sein Projekt wunschgemäß umgesetzt wird. Und darauf kommt es schließlich an. Allerdings sind wirklich nur relevante Fakten und Daten sinnvoll. Damit stellt sich das Problem der genauen Dosierung des Informationsinhalts eines Briefings in Abhängigkeit vom Anspruch der damit verbundenen Aufgabe. So bedarf das Briefing für große Projekte, wie die Einführung von neuen Produkten, Kampagnen, Events und Designprojekten, weitergehender Informationen als jenes für das Daily Business.
Vorgaben, die zu offen gehalten sind, können dazu führen, dass die kreative Lösung am Ziel vorbeischießt, zu enge Vorgaben hingegen ergeben oft standardisierte Produkte. Auf die Feinsteuerung kommt es eben an.
Ein gutes Briefing erkennt man daran, dass es inspiriert. Schließlich soll man an dieser Aufgabe seine Kreativität entzünden. Hier beeindruckte Michael Barry mit einem Briefing, an dessen Konzeption er zwei Jahre gearbeitet hat. Es ist recht ähnlich den Briefing-Vorgaben, die ProSieben Art Director Barbara Simon an Agenturen weitergibt. Sie sind daher in der folgenden Übersicht zusammengefasst.

Inhalte des Briefings:

  1. Hintergrund-Informationen: Hierzu zählen alle für den Auftrag relevanten Informationen zu der Historie, dem Image, der Positionierung des Senders bzw. des zu gestaltenden Produktes. Dies können sowohl rationale als auch emotionale Einschätzungen und Beobachtungen sein.
  2. Zielsetzung: Ein kurzes Statement, welches Problem gelöst, was mit dem Projekt erreicht werden soll.
  3. Wettbewerber: Welcher Sender, welche Sendung ist mit welchen Werbeaktivitäten direkter Konkurrent?
  4. Zielgruppe: Wer sieht sich das zu gestaltende Produkt an? Hierbei genügt es nicht, allein auf Alter und Geschlecht zu verweisen. Man sollte sich eine einzelne Person vorstellen und deren Gefühle und Verhaltensweisen schildern.
  5. Benefit: In wenigen klaren Sätzen sollte man die gewünschte Wirkung in der Zielgruppe beschreiben. Dies ist ein emotionales Statement formuliert in der ersten Person.
  6. Hindernisse: Was könnte den Erfolg der Kampagne, des Spots, der Anzeige etc. beeinträchtigen? Hier ist Ehrlichkeit zu sich und den zu vermarktenden Produkten gefragt.
  7. Tone & Manner: Mit wenigen einzelnen Worten die Eigenschaften des zu designenden Produktes beschreiben. Bei dieser Aufgabe sollte man auf Worte wie »cool«, »hip« oder »exciting«, die viel Spielraum für Interpretationen lassen, verzichten.
  8. Kommunikationsmaßnahmen: Was muss alles für welche Medien/Plattformen produziert werden?
  9. Vorgaben/Restriktionen: Auf welche Wordings, Farben, Schrifttypen-/größen, Logos und sonstige graphische / musikalische Elemente kann nicht verzichtet werden?
  10. Durchführungsplan: Wie (mit welchem Media-Druck) wird das zu gestaltende Produkt eingesetzt? Wie interagiert es mit anderen, bereits existierenden Design-/Programm-Elementen?
  11. Terminplan: Wie viel Zeit bleibt bis zum Pitch? Wann wird darüber entschieden? Wie lange ist die Produktionszeit?
  12. Budget: Die Nennung des zur Verfügung stehenden Budgets ist noch nicht die Regel, wird aber ein immer wichtigerer Parameter.

Neben der Basis zur Ideenfindung dient ein solch standardisiertes Briefing auch der Kontrolle für die Ideenbewertung. Weil Barry seine Pitch-Kriterien offen legt und nach einem Punktesystem bewertet, kann er über die im Sinne des Briefings vorgelegten Arbeiten relativ objektiv urteilen.
Ein solches transparentes Verfahren ist allerdings die Ausnahme, wie der Geschäftsführer von TV Musik Attila Ciftci zu berichten weiß, dem ein solch umfassendes Briefing noch nie untergekommen ist. Seiner Erfahrung nach entscheidet zumeist der persönliche Geschmack des Auftraggebers bzw. der Geschmack von dessen Vorgesetzten.
Die allgemeine Erfahrung unter den Agenturvertretern ist zudem, dass wenn mehrere Kreative das gleiche Briefing bekommen, interessanterweise häufig das Konzept, was sich bewusst nicht an die Briefingvorgaben hält, überzeugt und den Pitch gewinnt. Dies stellt den Sinn eines Briefings natürlich stark in Frage.
Trotz dieser Erfahrung ist Eyes & Ears-Geschäftsführer Wout Nierhoff der Meinung, dass selbst das unbewusste Einfließen des Briefings in die Ideenfindung den Briefingprozess rechtfertigt. Darüber hinaus kann das Briefing u.a. dazu beitragen, bestimmte Ideen auszuschließen.
Dass allerdings gerade “Notprojekte“ oft die besten Ergebnisse bringen, wie Maximilian Kock, Creative Director Audio Design von SevenSenses meint, ist wiederum Wasser auf die Mühlen der Briefing-Skeptiker. Wobei - genauer betrachtet - dass Arbeiten unter Zeitdruck mit wenigen beschränkten Mitteln genauso Grundlage einer “normbrechenden Idee“ sein kann wie das Arbeiten unter Einhaltung der oben dargestellten detaillierten Briefingvorgaben.

Abgesehen von diesen Argumenten bleibt festzuhalten: Gute Arbeitsergebnisse entstehen nur dann, wenn Auftraggeber und -nehmer “die gleiche Sprache sprechen“. Hierfür kann ein Briefing die notwendige Grundlage bilden, muss es aber nicht.
Im Kunden-Briefing ist oft die Situation aus Sicht des Auftraggeberes dargestellt. Da dies nicht immer der Realität entspricht, besteht die Gefahr eines Fehlbriefings. Um eine einheitliche Problemwahrnehnmung zu gewährleisten, ist es deshalb sinnvoll, von Seiten der Kreativen ein Re-Briefing zu formulieren. Dadurch wird die Information verbindlich und sichert ab, dass die Aufgabe richtig verstanden wurde, betont Pro Sieben Art Director Barbara Simon.
Ähnlich sieht dies auch Michael Barry. Selbst Agenturen, die in einem gewissen Abhängigkeitsverhältnis zu TV-Sendern stehen und sich nicht unbeliebt machen wollen, empfielt er, ein Briefing zu verlangen. Gerade wenn man schon länger zusammenarbeitet, müsste es leichter fallen, dieses Problem einmal anzusprechen, meint Wout Nierhoff. Auf der anderen Seite, wirft Maximilian Kock ein, sind Re-Briefings oft Rechtfertigungsbriefings, die eher prozessstörend wirken können.

Der Creative Director Audio Design wirft zudem die vieldiskutierte Frage auf, ob Musik nicht vielleicht zu abstrakt ist, als dass man darüber sprechen kann. Hierbei vertritt Olaf Mierau, Geschäftsführer und Chief Producer von Giesing-Team, die Ansicht, dass es schon eine Sprache für Musik gibt, diese jedoch von den meisten nicht beherrscht wird: “Das schlimmste ist, wenn Leute mit Halbwissen operieren. »Rhythmik«, »Harmonie« und »Melodie« sind die Wörter, die am häufigsten zu Missverständnissen führen, wenn über Musik geredet wird.“ Ein Briefing ist nicht an die Textform gebunden, also wie wäre es mit summen oder skizzieren?!

ARD-Art Director Susanne Büchting weiß von diesen Schwierigkeiten ein Lied zu singen. Der Großteil des Briefingprozesses beschäftigt sich allein mit der Informationsbeschaffung zu Sendungen, deren Vorspann zu produzieren ist. Dabei gilt es für Büchting oft, den Redakteuren Hilfestellung zu geben, da sie nur selten über das Abstraktionsvermögen verfügen, sich aus einem Storyboard den fertigen Vorspann vorzustellen. Dieses fast schon psychologische Engagement gehört also zum Briefing wie auch die neueste Variante, von der Olaf Mierau zu berichten weiß, dem “Briefing von unten“. "Der Kunde bekommt einfach Projekte geliefert, über die er selbst noch gar nicht nachgedacht hat. D. h. es wird ein Briefing entwickelt, das es gar nicht gibt, nach dem dann ohne Kundenauftrag produziert wird. Klappt in 19 von 20 Fällen.“

Tristan Thielmann
 




10.09.01 tt@udk-berlin.de