Navigationen, 4. Jg. 2004, Heft 1/2, S. 187-198

 Von schwarzen, grauen und roten Löchern im Programm
Eine kleine Trailergeschichte

von
Tristan Thielmann

In: Navigationen. Siegener Beiträge zur Medien- und
Kulturwissenschaft
, 4. Jg. 2004, Heft 1/2, S. 187-198.

"Man stelle sich vor, daß aus diesem Empfangsgerät während der Übertragung eines Rundfunk- programms plötzlich die Stimme des Sprechers sagt: 'Der Fernsehsender überträgt um 14 Uhr die Ankunft des Außenministers von ... auf dem Anhalter Bahnhof in Berlin', und daß dann um 14 Uhr jeder Deutsche, auch wenn er nicht in Berlin wohnt, Zeuge dieses Empfangs auf dem Anhalter Bahnhof sein kann. Das ist ein Wunder, schon allein deshalb, weil es nicht so vorurteilslos Eingang in die Herzen und noch weniger in das Verstehen vieler Menschen findet."[1]

Ankündigung des Programms

Der Anteil der "Verkündigungstexte" am Fernsehprogramm ist seit Einführung des Mediums kontinuierlich gestiegen. Millionen von kleinen Programmvorschauen,[2] so genannte "Trailer", haben sich seit den 60er Jahren in und zwischen den Fernsehsendungen eingenistet, welche als strukturierende Elemente unentwegt versprechen, dass die Zukunft noch viel atemberaubender, prickelnder und faszinierender sein wird, als die ohnehin schon spannungsgeladene, heitere, schöne Gegenwart. Mit dieser "Trailerisierung" des Programms wird auch das TV-Design immer mehr zur Erzeugung von Versprechen genutzt, die nicht mehr auf die Befriedigung durch ein Programm bzw. eine Sendung abzielen, sondern im Versprechen sich bereits selbst erfüllen. Design ist zum zentralen Problem der Oberfläche und damit auch der Oberflächlichkeit des Fernsehens geworden.[3]

Das scheinbar Marginale wird mit großem Aufwand produziert. Denn der Trailer ist nicht nur das "Produkt eines technischen Quantensprungs innerhalb der Fernsehproduktion"[4], er steht in einer wechselseitigen Beziehung zur Entwicklung der elektronischen Bildbearbeitung. Mit dem Trailer haben Computergrafiken und nonlineare Schnittsysteme Einzug in die Fernsehproduktion gehalten und damit die Ästhetik des Gesamtprogramms nachhaltig beeinflusst.

Joan Kristin Bleicher sieht daher in Trailern "Mikrokosmen der Fernsehästhetik"[5], da sich in dieser besonderen Form der Eigenwerbung grundlegende Programmkonzeptionen der Fernsehanstalten niederschlagen. An der hier skizzierten Entwicklung des Fernsehtrailers lässt sich der Wandel des Fernsehens selbst ablesen.

1923: Am Anfang war die Programmankündigung

Als zeitgebundenes Programmmedium war der Rundfunk von Beginn an darauf angewiesen, dem potenziellen Publikum sein Programm vorab bekannt zu machen. So war die Geburtsstunde des Rundfunks am 29.10.1923 auch die Geburtsstunde der Ansage.[6] Erste Hinweise auf so genannte "Rundsprüche", die Orientierungshilfe[7] im und über das Programm gaben, finden sich in den ersten Programmzeitschriften. In einer Ankündigung von Vorträgen heißt es: "Die Daten werden vorher durch Rundspruch bekanntgegeben."[8] Eine regelmäßige Programmvorstellung im Medium Hörfunk hat es seinerzeit noch nicht gegeben.[9] Sendepausen, die zur Information über das eigene Programm hätten genutzt werden können, wurden stattdessen zunächst mit einfachen Programmzeichen, später mit Musik überbrückt.[10] Dies änderte sich aber bald, wie das folgende Zitat von 1932 zeigt, und es entstanden vielfältige Formen der Ansagen, darunter Absagen, Zwischenansagen und erweiterte Ansagen.[11]

"Man hatte dem zahlenden Hörer neben den Darbietungen des Tagesprogramms auch schätzungs- weise 25 An- und Absagen je Tag zu liefern, und diese in der Form und im Ton gleichbleibenden, zum mindesten sehr ähnlichen An- und Absagen könnten die Hörer, viel mehr noch als nicht einwandfreie Programmnummern, zur Raserei, ja, noch schlimmer: zur Abbestellung des Rundfunks treiben."[12]

Im Gegensatz zum Radio boten im Fernsehen die ersten Ansagen keinen Grund mehr zu Diskussionen. Bereits zwei Jahre vor Aufnahme des regelmäßigen Fernseh-Sendebetriebes im Dezember 1952 wurde eine Ansagerin im Fernsehen eingesetzt. Gemeint ist Irene Koss, über die Kurt Wagenführ 1950 schreibt: "Heute erschien zum ersten Mal ein Mensch auf dem Bildschirm, eine Ansagerin!"[13] Die Ansage ist damit die älteste selbstreferen- tielle Form im Fernsehen.

Schon zu Beginn des deutschen Fernsehens wollten die Fernsehpioniere "die Leute am Bildschirm festhalten, möglichst ohne jeden Bruch mit dem Programm."[14] Insbesondere sollten Standbilder oder Schrifttafeln vermieden werden, die zwischen zwei Programmen gesendet wurden, um Lücken zu schließen und Sendezeiten einzuhalten. So mussten, nach Aussage von Klaus Mahlo, der zur Geburtsstunde des deutschen Nachkriegs- fernsehens 1952 in der NWDR-Sendeleitung arbeitete, immer wieder zu kurz geratene Sendungen verlängert werden. Dies geschah überwiegend durch Programmhinweise, die von Ansagerinnen live vorgetragen wurden.

Da sich die ARD in ihren Programmfahnen auf 5-Minuten-Zeitintervalle festgelegt hatte und die CvDs bemüht waren, sich an die in den Programmzeitschriften abgedruckten Sendezeiten zu halten, kam es auch später des Öfteren vor, dass Programmlücken entstanden. Neben Ansagen wurden diese Lücken auch durch Dias mit der Aufschrift "Kurze Pause" überbrückt.[15]

Abb. 1:                                                               Abb. 2:                                                               Abb. 3:
Senderkennung NWDR 1952 bis 1955
             
  Störungsbild WDR Anfang 60er Jahre                Pausenbild WDR Anfang 60er Jahre
         

 

1954: "Wir schalten um"

 

Anmerkungen

[1] Engler, H.: Formengesetze der Fernseh-Sendung. In: Jahrbuch des elektrischen Fernmeldewesens. Berlin 1940, S. 358f.

[2]  Nach einer von mir durchgeführten empirischen Untersuchung des Jahres 2002 werden jährlich mehr als 1 Million Trailer im deutschen Fernsehen ausgestrahlt. Vgl. Thielmann, Tristan: Trailer. Design, Promotion und Marketing im Fernsehen. Beiträge zur Medienästhetik und Mediengeschichte hrsg. von Knut Hickethier. Münster 2005.

[3] Vgl. Hickethier, Knut; Bleicher, Joan: Fernsehdesign oder Die Büchse der Pandora. In: Ders.; Dies.(Hrsg.): Trailer, Teaser, Appetizer. Zu Ästhetik und Design der Programmverbindungen im Fernsehen. Hamburg 1997, S. 7-14, hier S. 8.

[4] Hickethier, Knut: Fernsehästhetik. Kunst im Programm oder Programmkunst? In: Paech, Joachim (Hrsg.): Film, Fernsehen, Video und die Künste. Strategien der Intermedialität. Stuttgart, Weimar 1994, S. 190-213, hier S. 210.

[5] Vgl. Bleicher, Joan Kristin: Autopromotion. Trailer als Mikrokosmen der Fernsehästhetik. In: epd / Kirche und Rundfunk, Nr. 31/1994, S. 3-6.

[6] Vgl. Lerg, Winfried B.: Die Entstehung des Rundfunks in Deutschland. 2. Aufl. Frankfurt a.M. 1965, S. 211. Die erste Rundfunkansage "Achtung! Achtung! Hier ist die Sendestation Berlin" von Friedrich Georg Knöpfke ist abrufbar unter URL: <http://www.wirmachenmusik.de/fpx/duo-phon-records/d05413_01.ram> (28.9.2004).

[7] Orientierungshilfe meint in diesem Zusammenhang, dass Ansagen auf Beginn und Inhalte von Programmen hinweisen, aber auch, dass sie die schematisierte Struktur des Programms jener Zeit verkörpern.

[8] Der Deutsche Rundfunk, Nr. 6/1923, S. 100.

[9] Vgl. Turic, Mario: Programm-Präsentation: Information in eigener Sache. Diplomarbeit, Universität Dortmund 1994, S. 21.

[10] Vgl. Schäfer, Angelika: Die "Dame ohne Unterleib" ist beim ZDF bald passé. In: Kölner Rundschau vom 8.9.1978, S. 25.

[11] Vgl. Das Fischer Lexikon 1958, S. 310.

[12] Ehler, Wilhelm: Ansage und Ansager. In: Rufer und Hörer, 2. Jg. 1932, Heft 6, S. 268.

[13] Wagenführ, Kurt: Anmerkungen zum Fernsehen 1938-1940. Mainz, Stuttgart 1983, S. 89.

[14] Vgl. Mahlo, Klaus † (Sendeleiter Fernsehen NWDR/WDR): Telefoninterview mit Tristan Thielmann und Torsten Truscheit vom 2.10.1996. In: Thielmann, Tristan: Trailer. A.a.O.

[15] Hohmann, Klaus (Sendeleiter Fernsehen SDR): "Wir schalten um". Anmerkungen zu den Programmüberleitungen. In: Deutsches Fernsehen. Pressedienst, Nr. 34/1981, S. V1-V3, hier S. V/2f.

 



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