Horizont, Nr. 15/2003, S. 46
 

Palaver, Pulver und Promotion

Promax & BDA-Konferenz debattiert über Kreation in Zeiten knapper Budgets /
Nur 7 Preise an deutsche Agenturen

672 Teilnehmer aus Fernsehsendern, Medienagenturen und –produktionshäusern konnten ihr Management davon überzeugen, am 3. und 4. April zur internationalen Promax & BDA Europe Konferenz nach Köln zu kommen. Das sind etwa halb so viele, wie noch 2000 zum Treffen des weltweit größten Verbandes für Marketing, Design und Promotion in den audiovisuellen Medien nach Berlin kamen.

Dieser drastische Einbruch entspricht der Entwicklung der Budgets, die derzeit für Design- und Marketingaktivitäten zur Verfügung stehen, wie Markus Schmidt von SevenSenses zu berichten weiß: “Wenn man davon ausgeht, dass sich die Budgets in der Branche in den letzten zwei Jahren halbiert haben, dann ist das sicherlich so, dass wir unsere eigenen Leistungen mehr oder weniger hartnäckig anbieten müssen.“ Nach Ansicht von Schmidt, der als Geschäftsführer für die 100-prozentige Tochter der ProSiebenSat.1 Media AG tätig ist, traut sich derzeit keiner mehr, etwas Neues zu riskieren.

Aus marketingstrategischer Sicht mag dies sicherlich richtig sein, denn in Krisenzeiten wie diesen geht es den etablierten Fernsehsendern vor allem darum, die Markenstellung zu verteidigen. Visuelle Experimente sind da nicht gefragt.

Diese Mutlosigkeit mag zwar kostengünstig sein, hat aber den Deutschen bei den Promax & BDA Europe Awards auch eine bittere Niederlage beschert. Wie im letzten Jahr dominierten eindeutig die britischen Beiträge den Wettbewerb. Allein 14 Auszeichnungen in Gold gingen an die BBC, von Silber soll hier erst gar nicht die Rede sein.

Überhaupt heimsten die Engländer mehr als die Hälfte aller Preise ein. Von deutschen oder gar französischen Promotion-Spots war so gut wie nichts zu sehen. In den 49 Preiskategorien war Deutschland lediglich zweimal mit dem ersten Platz vertreten. So gewann SevenSenses für die Entertainment XXL-Kampagne auf ProSieben Gold in der Kategorie “Best use of Typography“. Das zweite Gold ging ebenfalls an SevenSenses für die beste Mixed Media Animation der Sat.1-Sendung “Ran WM-Fieber“. Hieran sieht man wieder einmal, dass ein gutes Design noch lange nicht für eine erfolgreiche TV-Sendung sprechen muss.

Sämtliche deutschen öffentlich-rechtlichen Fernsehsender waren überhaupt nur einmal durch das ZDF in einer Kategorie nominiert. Von RTL2, Viva oder Arte, die in den Jahren zuvor immer mit innovativen Promotion-Konzepten und Design-Ideen glänzen konnten, war nichts zu sehen. Ebenso erging es MDR und NDR, die ihr neues Design-Package vergeblich in den Wettbewerb schickten. So gibt der Medaillen-Spiegel sehr gut die gegenwärtige depressive Stimmung und Stagnation auf dem deutschen Fernsehmarkt wieder.

Natürlich muss auch in Großbritannien jede Änderung im TV-Design kurzfristig in einem “Return of Investment“ buchhalterisch darstellbar sein, wie Tim Hill, Head of Business Development bei Lambie-Narin, betont. Doch scheint man bei den Briten wie auch bei den Spaniern und Skandinaviern kreativer mit der Nutzung der immer kleiner werdenden Kreativ-Budgets umzugehen.

Manfred Becker, der bis Ende letzten Jahres noch Geschäftsführer von RTL Creation war, sieht eine wichtige Ursache für diese Entwicklung in der kantonistischen Stellung der Entscheidungsträger, die in den Fernsehsendern für das Programm Verantwortung tragen. “Wenn jemand mit einer abgehobenen Idee kommt, die nicht direkt den Inhalt oder die Protagonisten einer Sendung bewirbt, dann sind die programminhaltlich Verantwortlichen derzeit sehr skeptisch, denn sie stehen sofort unter Druck, wenn eine Sendung nicht erfolgreich ist. Daher wählen viele in den Fernsehsendern in ihrem kurzfristigen Denken eher ein scheinbar sicheres Promotion-Konzept.“

Ähnlich sieht dies Markus Schmidt, der dieser Entwicklung zumindest die positive Tatsache abgewinnt, “dass in den Fernsehsendern dadurch noch mehr Wert auf die strategische Ausrichtung gelegt und nichts mehr nur gemacht wird, weil es schön aussieht“. So viel Design wie nötig statt so viel Design wie möglich ist also das Motto, das die Promax & BDA Europe beherrschte.

So ist nach Ansicht von English & Pocket Senior Designer Danny Smit das Rebrand des britischen “Channel 5“ in das schlichte “Five“ ein gutes Beispiel für die derzeitige Entwicklung hin zu den einfachen, puren Formen und dem “Back to Basics“. In Deutschland wird dies u.a. deutlich an der Wiederbelebung des ARD-Frühschoppens mit seinem alten, klassischen Logo in Brauntönen.

Das von vielen noch während der Eyes & Ears Conference belächelte Tele5-Design ist somit in gewissem Sinne Vorreiter für eine Rückbesinnung, die auch in Deutschland zukünftig noch verstärkt zu erwarten ist. Bei Tele5 hat man die klassische Programmtafel wiederbelebt und kündigt fast nur noch mit einem Klammerteil aus der zu bewerbenden Sendung das Programm an. Diese Trailer sehen keine Postproduktion mehr und sind in 15 Minuten fertiggestellt. Einfacher und damit kostengünstiger geht es kaum mehr.

Aber auch bei den etablierten großen privaten Fernsehsendern wird enorm rationalisiert. Während ein Producer für einen einzigen Trailer vor ein paar Jahren noch eine Woche Produktionszeit hatte, muss heute die komplette On-Air-Promotion für einen Spielfilm mit allen Trailer- und Teaser-Versionen innerhalb eines Tages sendefertig sein.

Erleichtert wird der Produktionsstress zumindest dadurch, dass heute 90 % der On-Air-Promotion und des -Designs inhouse produziert werden. Vor 5 Jahren wurde noch 80 % nach außen an externe Dienstleister vergeben, wie der Präsident von Promax & BDA International Jim Chabin auf der Konferenz berichtete.

Während man sich in Deutschland mehr oder weniger zwangsweise auf das Kerngeschäft konzentriert, ist man international in der Optimierung der Wertschöpfungsketten schon einen Schritt weiter. “Brand Entertainment“ ist das neue Schlagwort, das mehr verspricht als Markenbildung. Einen ersten Schritt in diese Richtung geht MTV International in der kürzlich mit Motorola geschlossenen Marketing-Allianz, die dem Musiksender über drei Jahre hinweg Einnahmen in Höhe von 75 Millionen Dollar sichert. Die Aufträge werden dabei weitgehend der Promotion- und Design-Abteilung von MTV zugute kommen.

Derzeit sind allerdings nur wenige Fernsehsender in der Erschließung neuer Märkte so erfolgreich. Dies mag vielleicht ein Grund dafür sein, dass auf der Promax & BDA Europe viele der Redner mit dem Blick zurück beschäftigt waren. So priesen sowohl Stephen Emmer von eStation als auch Pete Bishop von The Shop in ihren Vorträgen die Musik-Bild-Kompositionen der frühen Experimentalfilme eines Oskar Fischingers oder Len Lyes.

Auch ProSieben betrieb “Geschichtsbewältigung“ und zeigte einen Rückblick auf die 15-jährige Designentwicklung des Senders. Wobei man den Mut bewies, auch auf die eigenen Fehler in dieser Zeit zu sprechen zu kommen. In ähnlicher Weise nutzt auch die ehemalige ARD-Chefdesignerin Ulrike Krieg die Gelegenheit, ausgiebig über die Pitches zu reden, die sie mit ihrer Designagentur DMC verloren hat.

Überhaupt war auf der Promax & BDA Europe auffällig, dass viele ehemalige Leiter von Promotion- und Designabteilungen vor Ort waren, die jetzt als Consultant arbeiten bzw. arbeiten müssen.

Einer von ihnen ist jetzt auch Prof. Manfred Becker, der als “Creative Consultant“ RTL beratend zur Seite steht, und der in Deutschland eine grundsätzliche Aversion gegen Promotion ausmacht. “In Deutschland beschweren sich immer mehr Menschen über die Eigenwerbung der Sender. Insbesondere wenn die Berichterstattung, wie über den Irak-Krieg, wie Kriegs-Promotion wirkt.“

Tristan Thielmann




10.04.03 tt@udk-berlin.de